Nach meinem Webinar zur Strategieentwicklung entspann sich eine spannende Diskussion zur Frage: Warum werden in so vielen Verlagen notwendige Veränderungen nicht erkannt oder nicht umgesetzt? Unsere Antwort lautete: Es liegt oft an Verblendung bzw. Schönrednerei in den Führungsetagen. Die Kaiser:innen sind nackt, aber keiner schafft es, ihnen das rechtzeitig beizubringen.

Ehrhardt Heinold
Die Zahl der Verlage bzw. Medienunternehmen, die einst erfolgreich & rentabel waren, aber in finanzielle Nöte geraten, nimmt zu. Ursache sind die strukturellen Veränderungen in der Medienbranche, die ich hier nicht aufzählen muss. In solchen Fällen stellt sich die Frage: Warum wurden notwendige Veränderungen nicht rechtzeitig erkannt und umgesetzt? Viele Beispiele bestätigen eine alte norddeutsche Weisheit: Der Fisch stinkt vom Kopf. Vielleicht hat die Führung der Handlungsbedarf rechtzeitig erkannt, vielleicht sogar schon die Umsetzung angestoßen – ist dann aber im Changeprozess gescheitert. Dann auf die Mitarbeitenden zu verweisen, ist ein nettes Cover-up, aber keine Zukunftsstrategie.
Oder aber die Führungsriege hat sich (und allen anderen) etwas vorgemacht, hat sich die Lage schöngeredet, hat sich mit Scheinantworten zufrieden gegeben, die noch auf der einstigen Markt- und Markenstärke beruhen. Wir Berater kennen solche Fälle, und ja, auch wir scheitern immer wieder, die Auftraggeber zum Jagen zu tragen bzw. zur Umsetzung von Veränderungen zu bewegen.
Deshalb lautet mein Appell: Macht Euch ehrlich, liebe Führungskräfte, und analysiert die Zukunftsfähigkeit Eures Geschäftsmodells ohne Scheuklappen und kognitive Dissonanzen. Aktuell würde ich diese Aufgabe sogar als die zentrale Führungsverantwortung ansehen. Ja, das ist unbequem, auch weil hier eigene Managementfehler ans Licht kommen können, oder weil unbequeme Veränderungen anstehen.
So kommt Ihr zu einer ehrlichen Bestandsaufnahme
Nach meiner Erfahrung bildet ein einfaches Setting eine gute Grundlage für eine solche Bestandsaufnahme:
- Die Geschäftsführung macht den Aufschlag mit der Ansage: Alle Karten auf den Tisch, jetzt geht es um Transparenz und Ehrlichkeit.
- Die finanzielle Situation wird transparent aufbereitet (Umsatz, Rentabilität, Marktposition etc.).
- Der äußere Rahmen (Wettbewerb, Kundenverhalten, Markttrends) wird analysiert und die zentralen Parameter werden zusammengefasst.
- Die heutige und zukünftige Attraktivität des Geschäftsmodells wird bewertet.
- Die interne Situation wird beleuchtet (Innovationsfähigkeit, Alter und Kompetenzen der Mitarbeitenden inkl. Führung, Agilität der Organisation, Zustand der IT).
Ja, auch dieses Setting kann scheitern, wenn Führungskräfte (seltener Mitarbeitende) sich einer offenen Analyse verweigern (alles schon erlebt), aber dann ist es die Aufgabe des Geschäftsführers / Inhabers (m/w/d), diese Verweigerungshaltung aufzubrechen und die Köpfe zu öffnen. Also, liebe Kasier/in: Stellt Euch vor den Spiegel und sagt was Ihr seht. Wenn Ihr von Euch geblendet seid, dann bittet Kinder (Mitarbeitende, Berater/innen, Freunde) zu sagen, was sie sehen. Merke: Alte Größe schützt vor Scheitern nicht – mit schönen Grüßen aus Hamburg und von Gruner + Jahr.
Ihr wollt Eurer Geschäftsmodell überprüfen? Dann könnte unser Angebot zum Thema Geschäftsmodellanalyse für Euch interessant sein.