Interview mit Verena Limbeck-Kaminsky und Prof. Heiko Beier

Routineaufgaben erleichtern und Möglichkeiten für kreatives, intellektuelles Arbeiten verbessern

Fachverlage mit umfangreichen Contentbeständen können durch eigens trainierte KI-Modelle mehrere Ziele erreichen: Neben der Produktivitätssteigerung können die Produktqualität erhöht und damit der Kundennutzen gesteigert werden, erläutern Verena Limbeck-Kaminsky, Abteilungsleiterin Produktionssysteme, Verlagsgruppe Hüthig Jehle Rehm GmbH, und Heiko Beier, Geschäftsführender Gesellschafter / CEO, MORESOPHY GmbH, im folgenden Interview.

Welches besondere Potential können Fachverlage mit KI erschließen?
Heiko Beier: Im Kern zahlt KI ein auf alles das, was Fachverlage schon immer gemacht haben: Produktion und Distribution von Zielgruppen-optimierten Inhalten. Doch alles wird automatisierter, flexibler und somit auch bedarfs- und kundenzentrierter. Dabei hilft KI entweder etwas deutlich produktiver zu tun (z.B. in der Redaktion), deutlich umfassender (z.B. bei Zielgruppen- und Trendanalysen) oder aber auch ganz neue Wege zu gehen. Unter Nutzung generativer KI erhalten Kunden nicht mehr Fachinhalte als Ergebnis einer Suche oder Navigation, sondern ganz flexibel konkrete Antworten auf ihre Fragen in spezifischen Arbeitskontexten.
Verena Limbeck-Kaminsky: Der Einsatz von KI ermöglicht es uns zeitaufwändige Routineaufgaben ganz oder teilweise zu automatisieren. Dies verschafft Freiräume für kreatives Arbeiten an neuen Ideen und Produkten. Für Fachverlage liegen die Möglichkeiten beim Einsatz von KI sowohl in der Unterstützung der Inhaltsstrukturierung als auch der Inhaltserzeugung. Für die Strukturierung kann die KI eingesetzt werden, um häufiges Tagging in ähnlicher Form zu übernehmen. Bei der Inhaltserzeugung sind vielfältige Anwendungsbereiche denkbar. Angefangen bei der Überarbeitung von vorhandenen Texten, über die Erstellung von Rohmaterial bis hin zu Umarbeitung für unterschiedliche Zielgruppen.

"Der Einsatz von KI ermöglicht es uns zeitaufwändige Routineaufgaben ganz oder teilweise zu automatisieren. Dies verschafft Freiräume für kreatives Arbeiten an neuen Ideen und Produkten."

Wo liegen die Potentiale speziell bei der Contentaufbereitung und beim Content Management?
Heiko Beier: Alle Prozesse stehen und fallen mit einer systematisch aufbereiteten Content-Basis. Mit KI muss niemand mehr Inhalte von Hand verschlagworten oder verlinken. Dies macht die KI automatisch. Aber die Redaktionen steuern deren Verhalten und setzen den Orientierungsrahmen auf Ebene von Zielgruppen, Kontexten und thematischen Schwerpunkten.

Welche konkreten Erfahrungen hat die HJR-Gruppe bis jetzt beim KI-Einsatz gemacht?
Verena Limbeck-Kaminsky: Für uns als juristischer Fachverlag ist es wichtig die Hoheit über unsere Inhalte zu behalten. Aus diesem Grund setzen wir nur KI-Modelle ein, die wir mit unseren eigenen Daten trainiert haben. Die Auswahl, Bereinigung und Säuberung der Trainingsdaten nimmt dabei den größten Raum ein und muss mit größter Sorgfalt geschehen. Diese Arbeit macht sich am Ende durch gut trainierte Modelle bezahlt. Bisher setzen wir KIs im Bereich der Textstrukturierung und der Suche ein. In beiden Fällen ist es eine große Herausforderung, die Regelungen von Bundes- und Landesrecht abzubilden. Hier sind die Ergebnisse noch nicht vollautomatisiert verwendbar. In anderen Bereichen überrascht der Umfang und die Treffsicherheit der Ergebnisse.


Viele Verlage stehen noch ganz am Anfang der KI-Reise. Welche Schritte empfehlen Sie zum Einstieg?
Heiko Beier: Viele Quick-Wins, gerade in Verbindung mit dem Content-Management, sind durch den Einsatz entsprechend vortrainierter KI-Modelle zu erzielen. Das zahlt sich unmittelbar aus durch gesteigerte Produktivität und flexiblere Produktangebote. Zudem lässt sich daran schnell lernen, wie KI arbeitet bzw. wie man sie optimal für sich arbeiten lässt. Kleinere Fachverlage können es sich nicht leisten, eigene Kompetenzen aufzubauen, um KI zu entwickeln. Aber sie müssen lernen KI zu beherrschen, damit sie diese richtig einsetzen.

Wie sieht es mit dem personellen und finanziellen Aufwand aus? Kann ein kleiner Verlag hier auch einsteigen, ohne sich zu überfordern?
Verena Limbeck-Kaminsky: Mit einem erfahrenen Partner, der bereits eine passende Umgebung in Form von vortrainierten KI-Modellen anbieten kann, ist der personelle Aufwand auch für kleine Verlag machbar. Diese Lösung erfordert auf der anderen Seite finanzielle Spielräume. Die Investition zahlt sich dann aus, wenn die Ergebnisse zu Kostenreduktionen bei der Produktion oder Mehrumsätzen durch neue Inhalte führen. Eine komplett eigene Umsetzung wird die personelle Kapazitäten und möglichen fachlichen Voraussetzungen kleiner Verlage sprengen.
Heiko Beier: Für viele Einsatzszenarien ist der Einstieg über SaaS-Angebote sinnvoll. Allerdings sollte dabei darauf geachtet werden, dass sich die Lösungen gut integrieren und ausbauen lassen. Ihr volles Potenzial entfaltet die KI, wenn sie durchgängig entlang der Wertschöpfungskette genutzt werden kann - am besten integriert in das Content-Management, wo ja auch Redaktion und Produktion mittlerweile meist aus einem Guss erfolgen. Dafür benötigt es nicht eine singuläre Lösung, sondern „KI als Service“ hinter allen Prozessen.

Hat der Einsatz von KI auch Auswirkungen auf die Zusammenarbeit oder sogar die Organisation? Oder andersherum gefragt: Wird hier auch ein Veränderungsprozess notwendig sein?
Verena Limbeck-Kaminsky: Der Einsatz von KI ist nur dann sinnvoll, wenn er entweder Arbeiten erleichtert oder sogar übernimmt, oder neue Möglichkeiten zur Inhaltserstellung schafft. In beiden Fällen geht das mit Änderungen im Workflow einher. Erfahrungsgemäß sind die Reaktionen der Mitarbeiter positiv, wenn zeitraubende Routineaufgaben erleichtert werden und die Möglichkeiten für kreatives, intellektuelles Arbeiten steigen. Wichtig ist die Einbeziehung der beteiligten Menschen und sie in dem Prozess von Beginn an mitzunehmen.

"Der Einsatz von KI ist nur dann sinnvoll, wenn er entweder Arbeiten erleichtert oder sogar übernimmt, oder neue Möglichkeiten zur Inhaltserstellung schafft. In beiden Fällen geht das mit Änderungen im Workflow einher."

Ihr Vortrag auf dem CrossMediaForum KI-Spezial heißt „Künstliche Intelligenz in Fachverlagen – vielfältige Potenziale einfach und zuverlässig erschließen“. Was wird Ihre wichtigste Botschaft sein?
Heiko Beier: Alle Welt spricht von KI – aber zu wenige von Daten und Informationen. KI und Datenanalytik gehören zusammen, um „Datengetrieben“ zu arbeiten. Für Fachverlage bleiben die Informationen der Kern der eigenen Wertschöpfung. Und die KI nur das Mittel zum Zweck, agiler, automatisierter, umfassender zu arbeiten. Eine KI ist nur so gut, wie die Daten auf denen sie trainiert ist. Gleichzeitig ist KI aber auch so nutzen, dass sie das Maximale aus den eigenen Daten heraus holt. Daten und KI sind also zwei Seiten einer Medaille. Nur wer beides Hand in Hand sieht, ist langfristig erfolgreich. Bei moresophy haben wir mittlerweile mehr als 20 Jahre Erfahrung, Daten beliebiger Art mit Künstlicher Intelligenz synergetisch zu verbinden.

Das Interview führte Ehrhardt Heinold.

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