Aus einer Pflichtübung eine Bereicherung für alle werden zu lassen ist keine Raketenwissenschaft. Ja wirklich: Strategieentwicklung kann Spaß, wenn das Projekt richtig angepackt und dann auch konsequent umgesetzt wird. Ein paar Erfolgsfaktoren aus langjährigen Beratererfahrung.
"Wir haben demnächst unseren Strategieworkshop" oder "Bei uns startet wieder der Strategieprozess" - bei so manchen Verlagsmitarbeitenden klingt das eher nach einer Pflichtübung, die on top zum Tagesgeschäft geleistet werden muss. Andere wiederum würden sich freuen, wenn überhaupt mal über die Strategie nachgedacht werden würde. Was in Strategieprozessen alles schief gehen kann, wisst Ihr auch: fehlende Faktenbasis (Markt, Kunden, Wettbewerb), Unklarheiten über die Zielsetzungen der Stakeholder, formellhafte Furmulierungen in schematischen Ausarbeitungen, ein Buzzwordbingo ohne echten Spirit - um nur ein paar typische Beispiele zu nennen.
Und überhaut: Wozu ein Strategieprozess in agilen Zeiten? Brauchen wir eine langfristige Orientierung, die schon morgen überholt sein könnte? Dazu hat Steve Jobs alles gesagt: In diesem Videoclip erklärt er, warum Apple sich nicht (nur) durch seine Produkte unterscheiden sollte, sondern durch seinen "Core Value" - und dieser lautet übersetzt in einen Claim "Think different". Jobs begründet, warum dieser Core Value nicht von aktuellen Entwicklungen berührt wird, sondern sich gerade durch seine langfristige Gültigkeit auszeichnet. Anders bei der Strategie: Diese muss sich ändern, wenn Marktparameter sich ändern, weshalb hier eine regelmäßige Revision notwendig ist.
Meist beginnt das Unglück mit Unklarheiten über zentrale Begriffe: Was ist Strategie überhaupt? Worin unterscheidet sich von Zielen? Von Taktik? Von einem Mission Statement? Wie also anfangen? Mit Begriffsklärungen, damit alle wissen, worum es geht. Hier meine Vorschläge:
- Purpose: Worin die (nichtkommerzielle) Sinnhaftigkeit unseres Tuns liegt
- Core Value: Was unseren Kernwert ausmacht
- Mission Statement: Wofür wir im Markt gebraucht werden
- Zielsetzung: Was wir erreichen wollen
- Positionierung: Wie wir uns im Markt-, Kunden- und Wettbewerbsumfeld positionieren
- Strategie Wie wir das Ziel erreichen wollen
- Portfolio: Mit welchem Portfolio (Produkte / Services) wir diese Positionierung erreichen
- Marktbeziehung: Wie wir unser Portfolio vermarkten
Auch wenn's akademisch klingt: Die Fragen sollten in der genannten Reihenfolge abgearbeitet werden. Was sofort auffällt: Die Strategiedefinition kommt erst an sechster Position, nicht an erster. Wird meistens falsch gemacht und führt oft zu seltsamen Mischungen aus grundsätzlichen, strategischen und operativen Überlegungen. Wirklich alle Themen abarbeiten? Ja, bitte, denn das klingt aufwändiger, als es ist. Die Diskussion über die ersten vier Punkte setzt nach meiner Erfahrung viel kreative Energie frei, denn hier geht es um die Frage nach der Identität, nach dem, was ich als Verlag bin bzw. sein will. Tipp aus der systemischen Toolbox: Mit der Frage "Wem werden wir unähnlicher" kann eine Identitätsdiskussion unglaublich befeuert werden.
Grundlage für den Prozess, vor allem aber für die Punkte 5 - 8, sollte ein Factbook mit den wichtigsten Daten zu Trends, Markt, Kunden, Wettbewerb und dem eigenen Portfolio sein - knackig visuell und kompakt aufbereitet, allen Beteiligten zugänglich gemacht. Merke: Im Workshop ist die Zeit für Recherche oder gar Guessing viel zu wertvoll - da soll diskutiert und vor allem entschieden werden.
Generell ist mein Tipp: Nicht zu flach diskutieren, sondern Höhenflüge und Tiefenexkursionen anstreben. Denn nur, wenn alle die Komfort- oder Stresszone des Alltagsgeschäfts verlassen, können wirklich wegweisende Ergebnisse gefunden werden. Um diese interne Diskussion richtig in Fahrt zu bringen, hier noch ein paar Fragen als Absprungrampe:
- Werden wir von unserer aktuelle Kernleistung (z.B. Verkauf von Content) auch zukünftig noch leben können? Anders gefragt: Ist unser Geschäftsmodell (z.B. Verkauf von Medienprodukten) zukunftsfähig, oder müssen wir über einen Geschäftsmodellpivot nachdenken (z.B. Verkauf von Services)
- Was ist der zukunftsfähige, langfristige Kernnutzen unseres Portfolios?
- Reicht unsere Wertschöpfungstiefe noch aus, vulgo formuliert: Welche Marktentwicklung, welcher Wettbewerber macht uns gerade überflüssig?
- Leben wir von der Vergangenheit (z.B. Backlistverkäufe)? Welche erfolgreichen Innovationen hat gegeben (und welche unerfolgreichen)? Gründe, Perspektiven, Learnings?
- Welche Locked-in-Effekte sorgen für Kundenbindung? Haben (und managen) wir diese überhaupt?
- Verschwenden wir unseren Marketingetat mit falschen Botschaften, Kampagnen, Kanälen?
Und natürlich gilt für jeden Strategieprozess unsere Heinold&Friends-Grundregel: Der Erfolg wächst mit Empowerment der Mitarbeitenden durch Vertrauen, Befähigen, Beteiligen und Bevollmächtigen. Also auf geht's, ein Strategieentwicklung zur kollektiven Selbstvergewisserung und langerfristigen Orientierung kann richtig Spaß machen. Word!
PS: Wenn Ihr Euch für unsere Leistungen zum Thema Strategie interessiert, findet Ihr hier mehr.