Marken in Verlagen – eine komplexe Beziehung

Immer wieder stoßen wir in Beratungsprozessen auf die Markenfrage: Sind wir als Verlag eine Marke, oder müssen wir eine werden? Haben wir Produktmarken? Und wie definieren wir überhaupt, was eine Marke ist bzw. sein kann bzw. sein sollte? Markenführung im Verlag ist eine komplexe Angelegenheit, die sich allerdings lohnen kann.

Schon klar, Markenartikel sind Produkte, die in der jeweiligen Zielgruppe eine Bekanntheit haben, und das über eine lange Zeit. Zurecht legt Manfred Bruhn in seinem grundlegenden Werk „Marketing“ (Gabler) die Latte hoch: „Als Marke werden Leistungen bezeichnet, die neben einer unterscheidungsfähigen Markierung durch ein systematische Absatzkonzept im Markt ein Qualitätsversprechen geben, das eine dauerhafte werthaltige, nutzenstiftende Wirkung erzielt und bei der relevanten Zielgruppe in der Erfüllung der Kundenerwartungen einen nachhaltigen Erfolg im Markt realisiert bzw. realisieren kann.“

Auch Marketingpapst Heribert Meffert verweist auf die Bekanntheit der Marke bei den Kunden, mehr noch, er geht von einer „Verankerung in der Psyche“ aus (Marketing, Gabler): „Eine Marke kann als ein in der Psyche des Konsumenten verankertes, unverwechselbares Vorstellungsbild von einem Produkt oder einer Dienstleistung beschrieben werden. Die zugrunde liegende markierte Leistung wird dabei einem möglichst großen Absatzraum über einen längeren Zeitraum in gleichartigem Auftritt und in gleichbleibender oder verbesserter Qualität angeboten.“

Von diesem hohen Anspruch gehen auch aktuelle Darstellungen nicht ab, im Gegenteil: In ihrem lesenswerten Buch „Brand New“ (Redline 2015) verweisen Jon Christoph Berndt und Sven Henkel auf die wachsende Bedeutung von Marken in einer immer unübersichtlicheren Welt. Die beiden Experten beschreiben anschaulich und nachvollziehbar, dass Unternehmen mit einer klaren Markenführung mehr Erfolg haben, wenn sie alles richtig machen.

Vorteile für alle Seiten also – Kunden haben ein gutes Gefühl, die Unternehmen langfristigen Erfolg:

Vorteile aus Kundensicht

  • Verlässlichkeit: Verringerung des Kaufrisikos
  • Orientierungshilfe innerhalb eines Angebotes
  • Schafft Vertrauen
  • Hat einen „emotionalen Anker“, d.h. löst bestimmte positive Gefühle aus
  • Trägt zur Abgrenzung und Vermittlung eigener Wertvorstellungen bei

Vorteile aus Firmensicht

  • Differenzierung vor der Konkurrenz
  • Plattform für neue Produkte
  • Basis für Lizenzierung
  • Schutz vor Handelsmarken, Preisverfall und Wettbewerb
  • Erleichterte Akzeptanz im Handel

Zusammenfassend lässt sich der Nutzen von Marken in einem Satz formulieren: Marken schaffen Orientierung. Und zwar nicht nur für Kunden (bestehende und potentielle), sondern auch für Handelspartner und Lieferanten (wie z.B. Autoren und Lizenzgeber, dazu später mehr), und vor allem für die Mitarbeiter. Berndt und Henkel sehen hier sogar den ersten Nutzen einer Markenführung: „Innen kommt vor außen. Wenn die eigenen Leute es nicht wissen, wofür man steht, kapieren es die Kunden auch nicht.“

Marken in Verlagen – Verlage als Marke?

Doch was bedeuten diese Binsenweisheiten für einen Verlag? Marken in Verlagen sind ein komplexes Thema, da es unterschiedliche, potentielle Markenträger gibt (unvollständige Aufzählung):

  • Verlag
  • Label
  • Autoren/innen
  • Produkte (wie Onlineangebote, Softwaretools, Bücher, Zeitschriften)
  • Reihen oder Character

Befragungen von Lesern ergeben immer wieder, dass Verlagslabel kaum bekannt sind, sondern die Entscheidung, wenn überhaupt, wegen eines Autors oder einer Produktmarke gefällt wurde. Was also soll eine Marke sein? Und vor allem: Wem gegenüber? Es gibt unterschiedliche Adressaten für die Markenführung:

  • Ziel- und Zahlgruppen: Kinder und Erwachsene
  • Handel
  • Autoren
  • Lizenzgeber
  • Werbekunden
  • Presse
  • Mitarbeitende

Aus diesen Rahmenkoordinaten ergeben sich vier Fragen:

  1. Welche Marken hat ein Verlag?
    Die Beantwortung dieser Frage sollte nicht in eine akademische Diskussion abgleiten. Letztlich müssen alle langlebigen Verlagsprodukte im Sinne einer Marke gemanagt werden. Der Verlag als Ganzes kann sich auch als Marke definieren, wohl wissend, dass er damit i.d.R. nicht die Kunden erreicht (und nicht erreichen muss), sondern sich gegenüber Autoren und Lizenzgebern und dem Handel klar positionieren kann. Und das ist schon eine Menge Wert!
    Zur Identifizierung von Marken hilft eine einfache Frage: Wie würde ein Käufer den Verlag bewerten? Welche „Assets“ (also Marken) sind langfristig werthaltig?
  2. In welchem Verhältnis stehen die einzelnen Marken zueinander?
    Hat ein Verlag mehrere Marken (Autor, Reihe, Label), dann stellt sich die Frage, welche Marke er gegenüber welchen Adressaten in den Vordergrund stellt. Das Problem wird oft an den Büchern sichtbar, auf denen neben Autor und Verlag oft noch ein Reihentitel steht.
  3. Wie ist die Markenkommunikation gegenüber den einzelnen Adressatengruppen?
    Lässt sich für eine Marke eine unterschiedliche Kommunikation gegenüber unterschiedlichen Adressaten organisieren? Zum Beispiel: Der Verlag wird gegenüber dem Handel klar positioniert, damit dieser durch ein klares Bild seine Einkaufsentscheidungen mit mehr Sicherheit treffen kann. Um dieses Ziel zu erreichen, muss der Verlag eine Markenkommunikation aufbauen und durchhalten, die über das einzelne Produkt hinausreicht und dem Handel eine konstante Botschaft sendet zur Frage: Wofür stehen wir?
  4. Wie viele Marken kann ein Verlag managen?
    Markenmanagement ist aufwändig, ein beständiger, langfristiger Prozess, und muss klar von der Pflege eines Produktlebenszyklus unterschieden werden. Womit wir wieder bei der ersten Frage wären: Wie viele Marken hat ein Verlag bzw. kann er aktiv managen?

Work to do!

Markenführung ist ein komplexes Thema, jeder Verlag muss eigene Antworten finden. Dabei sollte ein Markenprozess nicht zu k0omplex aufgesetzt werden. Meine Erfahtrung zeigt: Schon der Szart mit diesen vier Leifragen bringt eine

  1. Wofür steht eine Marke? Markendefinition als (Kunst)Handwerk
  2. Zielgruppen und Marke, oder: Wie weit kann ich die Marke über verschiedene Kundengruppen dehnen?
  3. Was bieten wir? Von der Produktdenke zur Schaffung von Markenwelten
  4. Herausforderung Markenmanagement: Wer führt die Marken in welcher Funktion (Zuständigkeiten, Abläufe)

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